Peter Kafka

Nachdem Fogel die “Die Beschleunigungskrise” von Peter Kafka entdeckt hat (irgendwann musste das ja passieren 😉 ), will ich natürlich auch meinen Senf dazugeben:

Wohin rennen wir eigentlich?“:

Eine schöne Auflistung der guten alten kommunistischen Kapitalismuskritik in Gewand der Systemtheorie. Vom bevorstehenden Zusammenbruch des Kapitalismus (er steht seit gut 150 Jahren kurz bevor) über die Verteufelung von Zinsen (?leistungsloses Einkommen?), der Medienmacht der Kapitalisten (mit Verschwörungstendenzen) bis zur Herausbildung einer Gutmenschen ist alles dabei. Wen es ein studierter Physiker schreibt ist es natürlich richtig und sinnvoll, selbst wenn er jede Form von Wissenschaftlichkeit hinter sich lässt und die volle polemische Kanone abschießt (es ist eine Rede und kein Paper, da kann man das noch verzeihen).

Das richtig interessante ist natürlich dann die Einbeziehung der globalen Innovation als Problem, da sie nicht genug Zeit zum Ausprobieren/Konsolidieren lässt und einen globalen Strukturwandel auslöst. Da stellt sich gleich die Frage, in welchem Masse Innovationen und Strukturwandel überhaupt global ablaufen.

Innovationen werden immer erst lokal getestet, in kleinen Zirkeln der Innovators und Early Adopters. Der einzige Unterschied zwischen heute und früher ist das diese Zirkel in fast jedem Land existieren und nicht mehr auf Kernländer beschränkt sind. Und gleichzeitig werden viele Innovationen parallel getestet. Außerdem haben sich erfolgreiche Innovationen schon immer global durchgesetzt (vgl. z.B. Ausbreitung der Eisenbahn). Von einer Änderung des Form oder Verbreitung der Innovation kann also nicht die Rede sein.

Dasselbe gilt für den globalen Strukturwandel. Es gibt einen Trend wirtschaftliche Strukturen zu vereinheitlichen. Das ist in dem Sinne aber schon immer so gewesen, da die Marktwirtschaft in jedem Teil der Welt ziemlich ähnlich funktioniert und auf denselben Grundlagen basiert (als Bsp. der deutsche Zollverein oder die Lateinische Münzunion). Eine darüber hinaus gehende Vereinheitlichung der Kultur, Lebensweise, usw. ist aber nicht zu erkennen. Im Gegenteil, die Kultur spaltet sich immer weiter in immer komplexer verwobene Subkulturen auf.

Dass sich der Fortschritt stark beschleunigt hat, ist ein Fakt. Der Einfluss auf das täglich leben ist aber begrenzt. Die Innovationen, die das Leben der Menschen im Kern beeinflusst haben, sind an ein oder zwei Händen (je nach Auslegung) abzählbar (z.B. Dampfmaschine, Maschinelle Fertigung, Computer, Internet). Die “bahnbrechenden neuen Erkenntnisse” gehen aber an den “normalen” Menschen einfach vorbei und haben damit auch kaum Einfluss auf politische und soziale Ordnungen.

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5 Responses to Peter Kafka

  1. fogel says:

    noch ein paar nette theorien/texte dazu:

    – the innovator’s dilemma (disruptive innovations)
    – diffusion von innovationen

    wieauchimmmer… noch ist die welt viel zu langsam, um beschleunigt in die krise zu stürzen. was er meint ist, dass die globale vereinheitlichung (Beispiel: microsoft) zu problemen wie “love san” (hier als Beispielinnovation) führen kann.

    man muss nun etwas phantasie haben und sich vorstellen, dass die vereinheiltichung sich auch auf andere gebiete beziehen könnte – z.b. ein globales neues gesetz zur sicherung der solvabilität von versicherungsunternehmen. angenommen, diese innovation (also das gesetz) wäre schlecht durchdacht und ein (besonders seltener und nicht vorausgeahnter) husten am kapitalmarkt könnte alle versicherer (die sich an das gesetz halten) und ihre kunden ins verderben stürzen. hm… besseres beispiel fällt mir jetzt nicht ein. oder doch? eine initiative könnte versuchen, globale umweltschutzrichtlinien einzuführen und kommtdamit durch: innerhalb eines jahres müssten alle ölverbrenner (firmen, autos) identisch arbeitende katalysatoren einbauen. 2 jahre später werden alle menschen furchtbar krank – weil übersehen wurde, dass die abgase einen gefährlichen, neuen stoff enthalten. Sowas meint er halt. und ist ja nicht ganz abwägig.

    er scheint angst vor einer art mensch-gemachter vogelgrippe zu haben: die grippe ist die innovation und die vereinheitlichung die tatsache, dass alle vögel diese kriegen können. also rein theopraktisch jetzt… letztlich ist die natur unser größter feind! und größter freund! wie es halt so ist… auch in der liebe 🙂

  2. Fox says:

    Du sprichst aber hier von Standards, nicht Innovation. Und das Standards vor und Nachteile haben ist schon klar. Und im Punkt Standards und Vereinheitlichung sind wir sehr weit. Es ist ja schon so, dass eine Zinserhoehung in den USA in Deutschland Tausende von Arbeitsplaetzen kostet. Der Vorteil von Standards ueberwiegt aber, das ist historisch erwiesen.

    Wie du aus diesem grausam schlechten Text so viel Ideen ziehen kannst … 😉

  3. fogel says:

    die globale beschleunigungskrise sagt doch: Innovationen sind gut und richtig. standardisierung ist gut und richtig. globalisierung ist gut und richtig. aber das problem liegt darin:

    vereinheitlichung + globalisierung + innovation = gefahr

    ich finde das interessant. den text habe ich kaum gelesen, sondern mich nur auf die kernaussge konzentriert 🙂

  4. Fox says:

    Kafka definiert ja “Globalisierung = Vereinheitlichung” (das typische “Globalisierung = Alles” der Nicht-Ökonomen). Also richtige wäre:

    Globalisierung + Innovation = Gefahr

    Das habe ich aber bereits widerlegt, weil es so etwas wie Innovation ohne lokalen Testlauf gar nicht gibt. Die von dir angesprochenen Beispiele sind ja politischer Natur. Wenn es wirklich so etwas wie eine “Beschleunigungskrise” gibt, dann musst du ein Bsp. aus der Wirtschaft bringen.

    Was soll mir die Doktorarbeit sagen? Ich sehe irgendwie nicht den Zusammenhang?

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